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Armut und Hunger in der Welt    

Menschen in der Not

 

Der Versuch einer Analyse    Sackgasse    Bericht der UNO    Das System ist krank

 

Menschen in Not – Ein Versuch einer Analyse zur aktuellen Lage     -    Sept. 2015

 

Aufgabe: Beantwortung der Frage: Sind die aktuellen Maßnahmen geeignet um das Ziel zu erreichen?

Ziel: (mit der Hoffnung, dass es über dieses Ziel einen Konsens gibt): Alle Menschen haben Rechte, Menschenrechte. Alle. Und daraus ergeben sich Pflichten – um die Not der Menschen auf diesen Planeten nachhaltig zu senken.

 

Status quo: Davon sind wir weit entfernt. Die Welt ist ungerecht. Es gibt Bereiche, wo es Reichtum an Ressourcen (Wasser, Öl, Gas, Klima, Erze, ...) gibt. „Pech“ hat, wer auf Plätzen zur Welt kommt, an denen es an Ressourcen, Rohstoffen – an überlebensfähigen Lebensbedingungen – mangelt oder,  wer in Regionen lebt oder geboren wird, wo es Bürgerkriege, Kriege gibt oder wo Menschen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Gesinnung bekämpft und verfolgt werden.

Mehr als 800 Millionen Menschen haben nicht ausreichend Nahrung. Viele sterben aus diesem Grund. U. a.: Schätzungen der Vereinten Nationen (UNICEF, 2014) zufolge sterben jedes Jahr 6,3 Millionen Kinder unter fünf Jahren. Fast die Hälfte dieser Todesfälle ist auf Mangelernährung und Unterernährung zurückzuführen. Das sind 3,1 Millionen Kinder jährlich oder rund 8500 Kinder täglich oder alle zehn Sekunden ein Kind – 6 in der Minute.

 

Viel Leid auf dieser Welt ist „menschengemacht“. Vieles bewirkt Armut, Hunger und Verfolgung, Kriege. Nur wenige Menschen haben die Chance davor zu flüchten. Die meisten haben keine Möglichkeit.

 

Was macht die Menschengemeinschaft (und hier die „in der Pflicht“ - die wohlhabenden Staaten) um diese erschreckende Ungerechtigkeit zu beseitigen?

Einiges – manches kontraproduktiv oder ineffektiv – in Summe aber viel zu wenig. Und vor allem: Sie verstärken die Ungerechtigkeit und das Leid durch die Eigennützigkeit und Profitgier unter dem Deckmantel einer globalen, manipulierten Marktwirtschaft. (Wobei es nicht gegen globales Handeln geht: es kann viel Gutes bewirken, u. a. beim von einander lernen und bei Hilfe in der Not.) 

 

Erschreckend bei diesem Versagen ist der Mix an Engstirnigkeit/Einfältigkeit, Besserwisserei, Scheinheiligkeit, Verlogenheit und Respektlosigkeit beim Versuch einer Problemlösung. Zu finden in allen Mischvarianten - in der Politik und in der Gesellschaft.

Kaum ein Ansatz einer sachlichen Analyse, kein Bemühen die Zusammenhänge von Ursachen und Wirkungen zu verstehen und zu den wirklichen und wahren Ursachen bzw. Einflussgrößen vorzudringen und dabei die Fremdwirkungen von Maßnahmen zu berücksichtigen.

Kein Maßnahmenplan - was, von wem, in welchen zeitlichen Schritten umzusetzen ist.

Wo ist der Maßnahmenplan für die Bekämpfung der Not für die Menschen, welche keine Chance haben zu flüchten und wo ist der Maßnahmenplan für die Menschen, welche auf der Flucht sind?

 

 

 

Ein Beispiel der Planlosigkeit: Warum gibt es Asylaufnahmezentren innerhalb der EU, obwohl diese nur – oft unter lebensbedrohenden Bedingungen - erreicht werden können, wenn EU-Recht missachtet wird?

Warum nehmen viele Menschen das Risiko auf sich, obwohl manche sterben?

Weil sie freundlich aufgenommen werden und sie ein besseres Leben erwartet, wenn sie es dann doch geschafft haben?

Wie kann man diese Vorgehensweise nennen?

Fakt: Asylaufnahmezentren innerhalb der EU verstoßen gegen bestehendes EU-Recht. Dies ist nur ein Beispiel, dass man mit scheinbaren und oberflächlicher Menschlichkeit nachhaltig das Gegenteil bewirken kann.  

 

In diesem Zusammenhang kann man die Sinnhaftigkeit der EU-Gesetze hinterfragen. Und vielmehr deren unvernünftige Umsetzung.

 

Und was ist von der Politik zu hören?

Die politischen Gruppierungen befetzen sich mit hasserfüllten, engstirnigen Halbwahrheiten. Die Bandbreite der Beschimpfungen reicht vom Gutmenschträumer und Geisteskranken bis zum Hetzer und letztklassigen Menschenverachter.

Dazu trägt auch der Meinungsbildungsprozess in zahlreichen Medien bei.

Beispielsweise: Was bewirken Überschriften „Österreich hilft, Ungarn baut Stacheldrahtzäune und verhaftet Flüchtlinge“ - begleitet von Bildern mit am Boden liegenden Flüchtlingskindern und daneben stehenden, bewaffneten Polizisten?

Diese Überschrift könnte auch anders lauten: „Österreich missachtet EU-Gesetze, Ungarn stoppt die illegale Durchreise - setzt Maßnahmen um EU-Gesetze einzuhalten.“

Die Realität dabei ist: Die zweite Überschrift ist wahr.

 

Jedenfalls stellt sich die Frage: Warum gibt es diese Manipulation, dieses bewusste verdrehen der Realität? Was soll damit erreicht werden?

Dieses Agieren ist kontraproduktiv. Es bewirkt bei vielen Menschen Hass, Wut, Unverständnis - wie  beispielsweise die Kommentare – leider oft mit unfassbarerer Respektlosigkeit - im Internet zeigen.

 

 

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Menschen in NotSackgasse

 

Die Strömung war durchaus verlockend. Aktion, volle Fahrt voraus. Immer noch, wenn auch die Klippen ungemütlicher werden. Aber noch bewegen wir uns in relativ sicherem Wasser. Wenn man die Augen jedoch etwas öffnet – es genügt bereits ein kleiner Spalt – dann kann man es sehen: Viele vor uns beutelt es schon ungemütlich und vor manchen tut sich der Abgrund auf, einige sind bereits im freien Fall.
Das Resultat des weitgehend unregulierten, globalisierten Wirtschaftssystems: Nicht weniger Arbeitslosigkeit, Armut, Hunger, Tod wegen Armut. Im Gegenteil. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird nicht kleiner. Es wird nicht besser, es wird grausamer. Das System bedient sich der Ungleichheiten und verstärkt sie.
Übermaßunmäßigkeit, Verschwendung auf der einen Seite und Mangel und Siechtum auf der anderen.
18 Prozent der jugendlichen US-Amerikaner sind stark adipös. Tausende Kinder in Afrika erblinden, weil wenige Euros fehlen, um ihr Augenlicht zu retten.
Zügellose Freiheit, exzessiver Handel, Diktat der Weltmarktpreise - in einer Welt, die unterschiedlicher nicht sein kann: Eine Vielfalt von heterogenen Gesellschaftsformen, Regierungsformen, Ressourcen, Klimazonen, Lebensbedingungen, Wertvorstellungen, Wissen und Erfahrungen, Möglichkeiten und Bedürfnissen.

 

In Österreich würde es keine Bauern mehr geben, würde die Gesellschaft nicht in der Lage sein, die Landwirtschaft mit mehr als 2/3 zu subventionieren. In vielen Ländern, z. B. Afrikas, ist das nicht möglich. Die kleinbäuerlichen Strukturen sind nicht konkurrenzfähig. Viele unter ihnen leiden unter bitterer Armut. Viele sterben.
Das kann nicht der richtige Weg sein. Egal ob man es sehen will, darf oder kann.

Eine Welt, welche ihr Heil im immerwährenden Wachstum sucht und die immer näher rückende Grenze für dieses leugnet. Millionen von Containern – beispielsweise bis zu 18.000 auf einer schwimmenden Umweltbombe, welche lärmend und stinkend um den Erdball gejagt werden, Ressourcen vernichtend und häufig subventioniert. 

Beispielsweise die subventionierten Exporte tierischer Produkte aus industrialisierter Massentierfolterung. Leergefischte und mit Plastikmüll verdreckte Meere. Ressourcen, welche sich in Milliarden von Jahren gebildet haben, wurden in einer Menschengeneration nahezu aufgebraucht.
Globalisierung ja, ja, ja. Für Ideen, Gedanken, Wissen, Freundschaften, gemeinsame Werte – zum Beispiel Solidarität. Und natürlich auch für jene Rohstoffe und Dinge, die es eben nur exklusiv in bestimmten Regionen der Erde gibt. Zu einem fairen Preis, der auch die ökologischen und sozialen Aspekte voll berücksichtigt. Und: Wachstum ja, ja, ja. Für die Armen. Für mehr Balance auf dieser Welt.
Die Grenze der Globalisierung ist die Grenze zur Unvernunft. Es kann nicht vernünftig sein, Lebensmittel, welche um die Ecke wachsen könnten, Tausende Meilen hin- und herzuschicken.

Hundertmal nicht, auch wenn dieser Wahnsinn Arbeitsplätze in der Transportbranche generiert.
Es ist der falsche Weg das Land armer Länder zu kaufen, um chemie- und ölabhängige Monokulturen anzupflanzen, um damit am Weltmarkt Profite zu erzielen. Profite, die nur zum geringen Teil den Menschen in den armen Ländern zugute kommen. 

Aber den ihr Land nehmen und somit die Grundlage für den Aufbau von Eigeninitiative.


 

 

 

 

 

 

Wir brauchen weniger Multis, mit ihrem Streben nach Profitmaximierung ohne die ökologischen und sozialen Folgen ausreichend zu berücksichtigen - aber viel mehr Unternehmer, welche Verantwortung für die Menschen in ihrem Unternehmen und in der Region übernehmen.
Der bessere Weg ist mitzuhelfen bei der Wohlstandsentwicklung in den armen Ländern. Mit Rat, Tat und Geld (beispielsweise regionale Hilfe mit Mikrokrediten). Aber ohne fette Renditen und ohne Deals mit so manchem korrupten Häuptling. 

Es gilt Verantwortung zu übernehmen, statt satter Profite für die Geschäftemacher aus der Überflusswelt und der Zocker-Junkies in den aufgeblähten Tradingkasinos.
Immer mehr spielen dort ihre Spiele mit Wetten auf die Preisentwicklung der Lebensmittelpreise. In der Zwischenzeit beträgt die reine Spekulation mit Rohstoffen ein Vielfaches des realen Handels. Der Klimawandel, eine steigende Weltbevölkerung und die Herstellung von Biosprit lassen die Spekulanten auf steigende Lebensmittelpreise setzen. 

Die Erwartungen beflügeln in der Regel die Kurse an den Börsen - Blasenbildungen nicht ausgeschlossen. Die Kursbildung an den Rohstoffbörsen beeinflusst den tatsächlichen Handelspreis von Mais, Getreide und all den anderen Rohstoffen, wie beispielsweise Öl. Damit trägt dieses Spiel dazu bei, die Hungerkrise zu verstärken.
Wir tragen die Verantwortung für die Verschwendung in unserer Wegwerfgesellschaft. Und für das Gewähren lassen, dass Millionen Menschen an Mangel sterben.
Es braucht eine regionale Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung: die kleinbäuerlichen Strukturen, für die die Bodenfruchtbarkeit die Quelle ihres Wohlstandes ist und die achtsam damit umgehen.
Mit traditionellem und modernem Wissen könnte laut UN-Sonderbeauftragtem für das Recht auf Nahrung der Ernteertrag von 500 Millionen Kleinbauern dieser Welt nachhaltig verdoppelt werden. Mit dem geringst möglichen Einsatz von Chemie und Pestiziden .
Auch die regionale Wirtschaft, die Klein- und Mittelbetriebe, müssen gestärkt werden. Weniger Massenware, langlebige Produkte mit mehr Qualität und Individualität. Viel mehr sinnvolle Beschäftigung mit eigener Verantwortung und direktem Kontakt mit den Verbrauchern, den Kunden. All das in den armen Ländern – aber auch überall sonst auf der Welt.
Wir brauchen andere Ziele und Strukturen: Sinn gebende Arbeit für alle – ausgerichtet nach den Fähigkeiten und dem Wissen der Menschen. Wir müssen in unseren Kindergärten und Schulen die Fähigkeiten das Wissen dazu fördern.
Wir leben auf einem Planeten. Vieles ist mit vielem vernetzt – alles hängt voneinander ab. Und wir haben vorläufig nur das, was es auf dieser Erde gibt: die Natur, das Wasser, die Sonne, die Erde, den Wind – und die Rohstoffe. Alles ist nur begrenzt verfügbar. Die Sonne könnte dabei Hoffnung machen.
Die Prioritäten müssen wechseln: zuerst die Lebenszufriedenheit, dann Geld und Rendite. Wohl wissend, dass Lebenszufriedenheit auch Geld braucht. Es ist eine Frage des richtigen Maßes.
Auch wenn der Weg der Korrektur nicht immer leicht sein wird: Es ist auf Sicht viel klüger (scheinbar) ineffizient das Richtige zu beginnen, als effizient das Falsche weiter zu machen.
Das Ziel soll bleiben: effizient das Richtige zu tun. 

 

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Bericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen  

(United Nations Development Programme, UNDP) kommt zu dem Schluss, dass die meisten Länder ihre auf dem Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen im Vorjahr vereinbarten Ziele zur Armutsbekämpfung bis 2015 nicht erfüllen können. 93 Länder, in denen 62 Prozent der Weltbevölkerung leben, können voraussichtlich die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren nicht bis 2015 um zwei Drittel senken.

Elf Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben jährlich an Ursachen, die vermieden werden könnten - etwa 30.000 täglich. 

Gleichzeitig können 83 Länder, in denen 70 Prozent der Weltbevölkerung leben, voraussichtlich nicht den Anteil ihrer Bürger ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser um die Hälfte reduzieren.

Das UNDP wendet sich im Bericht auch gegen die in den Industrienationen weit verbreitete Ablehnung genmanipulierter Lebensmittel. Neue, anspruchslosere Feldfrüchte könnten vielmehr die Versorgung in den Entwicklungsländern auch unter ungünstigen Boden- und Klimaverhältnissen nachhaltig verbessern.

Bei aller berechtigten Sorge im Westen über die noch nicht abzusehenden Folgen für Gesundheit und Umwelt würden die Chancen der Gentechnik verkannt: In der aktuellen Debatte in Europa und den USA um die Genmanipulation werden die Belange der Entwicklungsländer oft schlichtweg ignoriert. Die Erforschung der Gesundheitsrisiken der Biotechnologie bleibe selbstverständlich oberstes Gebot, sagte Kate Raworth, Mitautorin des Berichts. Was wir jedoch fordern, ist eine ausgeglichenere Beurteilung der Biotechnologie. Statt Dürreregionen fruchtbar machen zu wollen, könnte man das Saatgut den jeweiligen Gegebenheiten anpassen und etwa dürreresistent machen.   

     

Für Professor Richard Lewontin von der Harvard-Universität ist es nach wie vor unmöglich, die Konsequenzen der Biotechnologie abzusehen. Viele Studien in den USA basierten nicht auf amtlichen Daten, sondern auf Informationen von Firmen, die ein bestimmtes Produkt zulassen möchten. Marc Malloch Brown, der Leiter des UNDP, verwies zum Thema Nutzen der Biotechnologie auf Bestrebungen in Japan, neue Reissorten in Westafrika zu züchten.

Diese seien weniger dürreanfällig, dafür aber eiweißreicher und fast doppelt so ertragreich wie herkömmliche Sorten.

Gentechnisch veränderte Lebensmittel und Kulturpflanzen könnten nach Einschätzung der UNO-Behörde allerdings nicht nur bahnbrechend für die Entwicklungsländer werden. Der Bericht räumt ökologische und gesundheitliche Risiken ein, empfiehlt aber die Züchtung von neuen Sorten von Sorghum, Maniok, Mais und anderen Grundnahrungsmitteln, die hohen Ertrag abwerfen und gegen Trockenheit tolerant sind, insbesondere für Afrika südlich der Sahara und Südasien.

Der UNDP-Bericht sieht auch besonders dringenden Forschungsbedarf bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Malaria, HIV und Tuberkulose ebenso wie gegen weniger bekannte Krankheiten wie Schlafkrankheit und die Flussblindheit.

Billige PCs und preisgünstiger Mobilfunk in Entwicklungsländern könnten helfen, die Technologiekluft zwischen Arm und Reich zu überwinden.  

 

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Aus dem Buch "Übermaßunmäßigkeit. Die Gier der Lemminge", Seiten 167, 168. 

Ein Artikel von Jean Ziegler, Soziologe und UNO-Sonderberichterstatter.

 

Das System ist krank“

 

Der Weltfinanzgipfels war eine vollständige Augenauswischerei. Ein schlimmes Zeichen. Denn dem Banditentum der Banken wird so nicht der Riegel vorgeschoben. Es wurden keine vernünftigen Regulierungsmechanismen beschlossen. Da werden Milliarden in ein völlig ruiniertes Bankensystem hineingepumpt – ohne jegliche Auflage. Dabei kann es ja nur so sein: Wenn diesen Bankspekulanten Steuergeld in Milliardenhöhe nachgeworfen wird, dann muss wohl der Staat Kontroll-, das heißt Stimmrechtsfunktion übernehmen dürfen. Außerdem müssen schnell alle Steueroasen und Bankgeheimnisse abgeschafft werden. Und es braucht eine internationale Börsenaufsicht – all das hätte auf dem Weltfinanzgipfel beschlossen werden können, ist es aber nicht. Und warum es nicht dazu kam: Die Finanzoligarchie, die die Finanzmärkte beherrscht und riesige unkontrollierte Profite macht, die will das nicht, und sie ist mächtig, ihre Interessen durchzusetzen. Deren Manager hängen der neoliberalen Wahnidee nach, dass weiter alles privatisiert werden muss, und die Märkte dann schon den Rest erledigen. Diese neoliberale Wahnidee hat als Maske für die Spekulanten gedient. Jetzt ist die Maske auf dem Boden, und dahinter sieht man die Spekulanten, deren einziges Motiv war: Aus bloßer Gier und blankem Zynismus astronomische Vermögen zu ergaunern. 

Ein Beispiel: Der Chef der viertgrößten Bank der Welt, der größten Schweizer Bank UBS, Marcel Ospel, hat in drei Jahren Prämien in der Höhe von 91 Mio. Franken (60,4 Mio. Euro) erhalten, zusätzlich zu seinem Jahresgehalt von 26 Mio. Franken (17,3 Mio. Euro).

Der Kapitalismus ist in eine pathologische Phase gekommen: Der einzige Motor wirtschaftlicher Tätigkeit ist derzeit individuelle Gier bei gleichzeitiger Verachtung der Gesellschaft. Außerdem ist es ein unhaltbarer Zustand, dass die 500 größten multinationalen Konzerne 52 Prozent des Welt-Bruttosozialproduktes erwirtschaften beziehungsweise kontrollieren. Die haben heute eine Macht, wie sie nie ein Kaiser oder König in der Geschichte der Menschheit gehabt hat. 

 

Diese Super-Multis sind Weltdiktatoren, die sich jeder UN- oder nationalstaatlicher Kontrolle entziehen. Oder das jetzt völlig pervertierte Bankenwesen: Die eigentliche Funktion einer Bank ist es, das Sparkapital in die produzierenden Bereiche der Wirtschaft einzubringen und so zum allgemeinen Wohl die Produktionskräfte eines Landes zu stützen. Diese Funktion wurde ersetzt durch eine Wegelagerer-Mentalität. Die Auswirkungen der Krise auf die einfachen Menschen: Es wird großes Leid geben in den Industriestaaten. Betriebe werden zusperren, die Arbeitslosigkeit wird massiv steigen, die Steuern werden rauf gehen. In den USA verlieren jetzt schon 10.000 Menschen täglich ihre Wohnung. Noch viel schlimmere Auswirkungen wird die Krise für die armen Länder haben, weil weniger Geld für Entwicklungs­hilfe ausgegeben wird. Es gibt jetzt nicht einmal genug Finanzmittel für die Akut-Hungerhilfe. Damit wird der weltweite Hunger fürchterliche Dimensionen annehmen. 

Die Leichenberge werden wachsen. Derzeit verhungert alle fünf Sekunden ein Kind unter zehn Jahren. Dabei könnte die Welt zwölf Milliarden Menschen ernähren. Darum sage ich: Ein Kind, das heutzutage an Hunger stirbt, das wird ermordet.

Aber es gibt eine globale Gegenbewegung, die wieder mehr die Moral statt den Markt ins Zentrum stellt. Was wir jetzt beobachten können, ist eine planetarische Zivilgesellschaft, die neben den Parteien und staatlichen Institutionen weltweit vernetzt ist. Dazu zähle ich soziale Bewegungen wie (die globalisierungskritische Gruppe) Attac oder Greenpeace, wo Hunderttausende Menschen organisiert sind. Sie werden letztlich die jeweiligen Staaten dazu zwingen, ihrer ureigensten Pflicht nachzukommen und das Wohl nicht nur einer privilegierten Kaste, sondern aller Menschen zu gewährleisten.

 

Zur Person: Jean Ziegler gilt als scharfzüngiger Globalisierungs­kritiker. Er wirft Unternehmen – besonders multinationalen Konzernen – vor, zwecks Profitmaximierung unethisch zu handeln, jede Verantwortung für Menschenrechte oder Umweltschutz abzulehnen und so wesentlich für den Welthunger mitverantwortlich zu sein. Konzerne übten ferner beträchtlichen Einfluss auf die Politik aus und bedrohten damit die Demokratie. Nach eigenen Aussagen wurde er durch einen zweijährigen Afrika-Aufenthalt als UN-Experte unmittelbar nach der Ermordung des kongolesischen Staatschefs und das dort gesehene Elend zu einer radikalen Änderung seiner Grundauffassungen bewegt.

 

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